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Daniel Forsnabba | Modernes Trompetentraining

5 Mythen zum Thema Atmung

Ich sage ja immer, dass Bläser zur Tonproduktion nur zwei Dinge tun: Einatmen und Ausatmen. Das Einatmen ist so gesehen also 50% der Tonproduktion und weil es vor dem Ausatmen kommt, bildet es die Grundlage für alles, was danach kommt.

© hywards – fotolia.com

Je besser die Qualität des Einatmens, desto größer das Potential des Ausatmens. Oft bedeutet das, dass der Ton schöner, kerniger und voller klingt, wenn das Einatmen gut ist.

Was dieses „gut“ bedeutet, darüber gibt es viele Meinungen, Gerüchte und Mythen:

Atem-Mythos Nr.1 – Richtige Atmung kann man einüben

Es ist doch so: Atmen passiert bereits seit Urzeiten ganz natürlich, ohne dass jemals jemand geübt hätte zu atmen. Es ist anmaßend zu glauben, man müsse (könne) die Natur verbessern. Meine Beobachtung ist, dass isolierte(!) Atemübungen bestenfalls keine Auswirkungen haben, meistens jedoch ein statisches, aufgezwungen wirkendes und jedenfalls unnatürliches Atmen zur Folge haben.

Atmung ist Leben. Atmung ist Emotion. Der Atem verändert sich mit der Situation, mit unserer allgemeinen Verfassung, mit unseren Gefühlen, mit der Musik… daher führt mechanisches Atmen oft auch zu mechanischem Musizieren.

Atem-Mythos Nr.2 – Zwerchfellatmung ist die beste Atmung

Die Bauch- oder Zwerchfellatmung wird oft als natürlichste und gesündeste Atmung beschrieben. Warum jetzt Brustatmung auf einmal unnatürlich oder ungesund sein soll, konnte mir bisher noch keiner schlüssig erklären. Auch die beobachtbare Tatsache, dass im echten Leben (im Ggs. zu Lehrbuchanatomie) niemand jemals NUR mit dem Zwerchfell atmet, interessiert die Verfechter der reinen Zwerchfellatmung anscheinend nicht.

Richtig ist: isolierte Brustatmung und isolierte Bauchatmung sind unnatürlich. Auch die Methode „zuerst isoliert Bauchatmung und danach Brustatmung“ ist eine künstliche Erfindung. Denn: Brust- und Bauchatmung funktionieren natürlicherweise im Team und können nur mit viel Übeaufwand getrennt verwendet werden.

Ich habe dieses gut gemachte Video gefunden, das zeigt, was anatomisch beim Atmen passiert:

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Quelle: Jessica Wolf’s Art Of Breathing
Ein ausführliche Version mit Erklärungen gibt es auf Amazon.

Atem-Mythos Nr.3 – Zwerchfellstütze

Das Zwechfell ist ein Einatemmuskel, daher kannst du mit dem Zwerchfell nicht stützen. Ich selbst setze im Unterricht gerne Metaphern ein und weiß um deren positive Wirkung. Aber wenn es um anatomische Begriffe geht, müssen diese auch exakt definiert und in ihrer tatsächlichen Funktion verwendet werden, sonst entsteht unnötige Verwirrung, wie das Unwort „Zwerchfellstütze“ zeigt.

Atem-Mythos Nr.4 – Kapazität erweitern

Auch das ist eine sprachliche Ungenauigkeit. Sinnvolle Atemübungen zielen darauf ab, übermässige Spannungen abzubauen, bzw. eine angemessene Spannungsverteilung zu erreichen, so dass sich im Ergebnis Brustkorb und Zwerchfell frei bewegen können (Zwerchfell wird u.a. eingeschränkt durch verspannte Bauchmuskeln).

Dadurch lernt man die natürlich vorhandene Kapazität zuzulassen – man erweitert aber nicht das Lungenvolumen. Das kann man ggf. durch Ausdauersport tun, nicht durch Atemübungen.

Atem-Mythos Nr.5 – Kraft trainieren

Es gibt Übungen, bei denen man sich ein dickes Buch oder gar BüchER auf den Bauch legt und gegen den Widerstand atmen soll. Die absurde Krönung ist dann der Lehrer, der sich auf deinen Bauch stellt und den du durch Zwerchfellkraft anheben sollst… Das ist dann das genaue Gegenteil von meiner Philosophie zum Thema Atmung:

Dein Körper kann nämlich selbstständig, auf die genau angemessene Art und in ausreichender Menge Luft holen, um das zu spielen, was du gerade spielen willst. Falls du ihn nicht störst! Oft ist einem aber gar nicht bewusst, DASS man stört – und damit natürliche Atmung ungewollt verhindert.

Ziel jeder Atemübung müsste also sein, anstatt etwas hinzuzufügen – also dass man beispielsweise eine bestimmte Art zu atmen einübt oder Muskeln (wie das Zwerchfell) trainiert – im Gegenteil sein, weniger zu tun, und damit jegliches Stören der Atmung zu unterlassen.

Es geht nicht um ein wie auch immer geartetes „Tun“, sondern um ein „Nicht-Tun“, ein „GeschehenLassen“ von natürlicher Atmung.


Videopräsentation ansehen! (im Trompete Insider-Club)

Und du…?

Welche in diesem Sinne nützlichen Übungen kennst du? Welche Erfahrungen hast du damit gemacht? Achtest du beim Spielen auf deinen Atem? Oder passt das auch so? Welche Gedanken hattest du beim Lesen des Artikels? Beteilige dich an der Diskussion, indem du deinen Beitrag in die Kommentarbox unter dem Artikel schreibst.

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19 Antworten

  1. Mit Dank an Dich lieber Daniel! Ich bin auf der Suche nach Verbesserung der Atemtechnik beim Posaunenspiel auf diese Deine Erklärungen gestoßen und mir gefällt Deine Herangehensweise außerordentlich gut.
    Zum Hintergrund: Vor drei Monaten schenkte mir mein Vater (80 Jahre) eine Ventilposaune. Ich bin 58 J., habe mein Leben lang intensiv Ausdauersport jeglicher Art betrieben und war der irrigen Annahme, dass bei meiner natürlichen Atemkraft nur der Ansatz mein Problem beim Posaunenspiel werden könnte. Da ich von Kindheit an Cello gespielt habe und überhaupt viel Freude an Musik habe, komme ich zumindest mit Noten, Melodieführungen, Takt, Harmonien und Gehör ganz gut zurecht.
    Nun hatte ich einfach die Posaune zur Hand genommen, mir die Grundprinzipien durchgelesen und sofort angefangen, mir spielerisch das Instrument autodidaktisch zu erarbeiten.
    Von Anfang an stellte sich heraus, dass meine größte Schwierigkeit in der effektiven Atmung steckt. Ich kann gar nicht beschreiben, wie oft ich innerhalb eines kleinen Weihnachtsliedchens an meine Atemgrenzen gelangt bin. Inzwischen hat sich das von allein verbessert und wenn ich jetzt z.B. die Komposition von Bach „Jesus joy of mans desiring“ spiele, muss ich zwar ganz schön mit der Atmung kämpfen, überlebe das Stück aber so einigermaßen bis zum Ende. Schön ist natürlich was Anderes!!! :-)

    Für mich ist Deine Beschreibung und auch die Kommentare einiger Musiker hier jedenfalls äußerst hilfreich, weil es mich auf dem Weg bestärkt, nicht mit komplizierten Atemtechniken und -übungen Verbesserung zu suchen, sondern die Gewichtung auf der Natürlichkeit der Atmung zu belassen.
    Aufräumen mit Mythen mag ich aus Lebenserfahrung heraus sowieso gern!

    Also nochmals mit Herzensdank. So trainiere ich nach dem Modell ohne Modell einfach weiter und habe Spaß!

    LG Be.

  2. Hallo zusammen,

    mein früherer Lehrer sprach andauernd von Stütze und Zwerchfell.
    Auf Nachfragen, was das sei konnte er keine genaue Antwort geben.
    Seine Übermethode war „ Stock mit dem
    Bauch an der Wand halten „ gem. Rolf Quincke“.
    Bei mir führte das nur dazu, dass ich schon beim Einatmen verkrampfte.
    Bei meinen Schülern sage ich heute überhaupt nichts um das Einatmen zu korrigieren .
    Das kontrollierte Ausatmen erkläre ich mit Metaphern wie, Wasserstrahl, Luft durch die Trompete, Kerze am andere Ende des Raumes ausblasen etc.
    Dies führt regelmäßig zu einer schönen Tonbildung und einer kontrollierten Luftführung. Auch tonloses Üben macht die Ausatemluft für den Lernenden „ sichtbar“.

  3. Trompeter spielen mit einem Abfallprodukt.
    Die ausgeatmete Luft wurde in der Lunge quasi „verbraucht“. Das heißt der Sauerstoff.
    Und dabei auch noch was vernünftiges abzuliefern, das braucht Zeit.
    Man kann also ein Abfallprodukt auch noch nützen – beim Blechblasen.

    LG Spitzbart Helmut

  4. Die Luft kennt nur einen Ort, wo sie hinkann. In die Lungen. Dass man die Aufnahmekapazität der Lungen mit Luft verbessern kann ist ja bekannt. Die sogenannte Vollatmung ist anzuwenden. Brust- Flanken- und Bauchatmung
    gleichzeitig. Beide Lungenflügel sollte man zur Gänze füllen können. Das Ausblasen der Luft geschieht durch die Betätigung der Bauch-, Flanken- und Brustkorbmuskulatur. Die Atemmuskulatur sollte die Ansatzmuskulatur nicht negativ beeinflußen. Die Atemmuskulatur ist der Motor des ganzen Trompetenspielens.
    Die Ansatzmuskulatur formt den Ton. Wenn hier falsche Spannungen auftreten, dann ist die Tonqualität schlecht und die Höhe.
    Das ganze ist ein langjähriger Prozess und erfordert ständige genaue Selbstbeobachtung. Wenn beides gut funktioniert, dann wirst du wunderbar spielen.
    Das Problem liegt meist im Tetail. Aber zu kompliziertes Denken ist nicht die Lösung. Hören und Vorhören ist besser. Eine gute Klangvorstellung im Kopf ist wichtig.
    Ein guter Lehrer kann natürlich auch helfen.

    LG Helmut Spitzbart Austria
    40 Jahre Trompetenlehrer im O.Ö. Landes-musikschulwerk
    Jetzt Pensionist

    Zurzeit spiele ich nicht, weil meine unteren Zähne entfernt wurden. Möchte aber wieder durchstarten. Bin 68 Jahre alt.

    LG

  5. Trompetenspielen ist etwas „unnatürliches“ was die Atmung anbelangt und deshalb zweifle ich doch etwas daran, dass die „angeborenen“ Atmungstechniken die Lösung für das Spiel auf der Trompete sind. „Natürlich“ atme ich kaum gegen einen Widerstand und dieser muss beim Trompetenspiel „überwunden“ werden. Deine Kommentare Daniel helfen mir nur bedingt weiter – einfach laufen lassen und alles wird gut, scheint mir doch etwas zu einfach. Die Vorstellung, dass ich beim Trompetenspiel den Luftstrom nicht abbrechen lassen darf und diesen sehr gesteuert (über mir auch nicht ganz klare Muskelpartien) fliessen lasse hat mir auf jeden Fall geholfen ein stabileres Spiel zu bekommen. Vielleicht ist es „Placebo“ – doch ich investiere viel Zeit in dieses „Atembild“ und es hilft definitiv.

    1. Jegliche Aktivität, auch so eine „unnatürliche“ wie Trompetespielen wird durch deine Intention gesteuert. Da kann man, wenn man das will, noch eine Technik dazwischenschalten. Wenn es hilft, hilft es ;)

      Ich stelle immer wieder fest, dass meist bereits zu viel „dazwischengeschaltet“ wird, unabhängig davon, welche Atemtechnik oder Metapher das nun ist. Das macht es unnötig kompliziert und weniger effizient (=größerer Muskeltonuns). Aber dennoch: wenn es funktioniert, dann würde ich es auch nicht verändern.

  6. Hallo Daniel,
    aus der Rettungsschwimmerei weiß ich, dass man durch gezieltes Üben sein Lungenvolumen durchaus steigern kann, wahrscheinlich steigert man aber eher die Effizienz des Atemapparates! Bedeutet man kommt mit der eingeatmeten Luft länger aus. Ich hatte als 13Jähriger ein Lungenvolumen (ca 4,5Liter) das den Sportarzt veranlasst hat mehrmals zu messen, er hielt seine erste Messung für falsch! Meine früheren Versuche mit möglichst viel Luft mein Spiel zu verbessern haben regelmäßig dazu geführt, dass mir beim Versuch höhere Töne zu spielen immer schwindelig wurde bis hin zum Schwarz vor Augen werden.
    Mit einem natürlichen vollen Einatmen in Bauch und Brust klappt das mit deutlich weniger Luft viel besser, zumal man ja je höher man spielt offensichtlich immer weniger Luft braucht! Diese muss man aber richtig „komprimieren“ um das gewünschte Ziel zu erreichen. Das kostet tatsächlich einiges an muskulären Aufwand und erfordert ein gewisses Maß an Training, damit der Körper halbwegs „locker“ bleiben kann. Früher spürte ich die Folgen eher an den Lippen, heute ermüdet nach langem Proben und Spielen die Atemmuskulatur. Aber das fühlt sich gut an und erholt sich sehr schnell! Fazit..und da stimme ich mit dir völlig überein: Ein- und Ausatmen ist ein völlig natürlicher Vorgang und muss zum Trompeten nicht extra geübt oder gar erlernt werden. Je weniger man darüber nachdenkt, desto weniger verkrampft man und das hilft ungemein!

    Gruß

    Karl

  7. Hallo Daniel, erst mal vielen herzlichen Dank für deine Antwort.

    Da hast du absolut recht. Ich seh das ja auch immer wieder selbst, wie sich die Leute gekünstelt in Ablauf und Haltung ergießen .. anstatt auf das eigentliche Instrument – nämlich man selbst – zu achten und ich merke es an mir immer wieder selber, wie wichtig es ist, so entspannt in seiner Gesamtheit wie möglich zu sein.

    Körperbewusstsein ist meiner Meinung nach das A und O…

    Freu mich auf spannenden Austausch.
    Schönes Wochenende Gruß Siggi

  8. Hallo und erst mal hochgradiges Kompliment, an dieses heiße Eisen ran zu gehen, aber es ist vielleicht kälter als man denkt. Und ich möchte noch anschließen, ich gehe 100 % konform mit den Aussagen die getätigt wurden.

    Was für mich auch als Ausbilder und einem sehr viele Seminare hält immer wieder frappant ist: dass die Probanden zunächst nicht einmal wissen, wo die Luft überhaupt hingehen soll. Das Bewusstsein, dass die Luft eigentlich ganz einfach (nur) in die Lunge geht und dann zu erkennen, dass die Lungen sich „hinten“ befinden, ist für viele gar nicht nachvollziehbar, aber das hat die Natur eben so eingerichtet.

    Luft kann nur an einen Platz, nämlich in die Lungen. Ende. Deswegen empfehle auch ich, um das nur kurz zu erwähnen, eine entspannte tiefe Vollatmung. Das Tun im nichts tun…

    1. Hallo Siegfried, ich habe im Frühjahr ein webinar gehalten bzgl. „KörperBild“, fehlerhafte Konzepte usw. Es ist ein spannendes Thema und für mich immer wieder faszinierend, wenn ich sehe, wie eine veränderte Vorstellung völlig andere Bewegungen hervorbringt. Ein sehr wichtiges Thema, denn man kann Übungen machen ohne Ende: wenn das zugrundeliegende KörperBild nicht der Realität entspricht, wird man sich „Käse“ einüben. ;-)

  9. Leider kann ich nicht mehr sagen, wo ich diesen Beitrag gelesen habe: Das Atmen in den Bauch beim Meditieren soll von den Mönchen in Tibet (oder sonstwo) lediglich dazu erfunden worden sein, störende Hustenreize zu unterdrücken, und sonst nichts weiter.

  10. Ich hab ja den Verdacht, dass auch die „Reihenfolge“ eine Rolle spielt. Um das vorhande Volumen der Lunge auszunutzen, müssen sowohl Brustkorb, als auch Zwerchfell zum Einatmen etwas tun. Ganz unabhängig geht das nicht (s.o.), wenn sich aber zuerst der Brustkorb hebt, scheint es irgendwie schwer das restliche Volumen mithilfe des Zwerchfells auszunutzen. Umgekehrt – erst Zwerchfell, dann Brustkorb – oder mit allem gleichzeitig scheint das wesentlich einfacher und intuitiver zu funktionieren.
    Evtl. sollte man sich auch klar machen, dass eine Atemstütze (= mit anderem Muskeln als dem Zwerchfell, s.o.), erst/nur dann funktioniert, sobald das Zwerchfell wieder entspannt ist.

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